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Golf

Die Golf-Analyse

13. April 2022
Profigolfer Sepp Strakker, Thomas Pieters, Benedict Staben,

Wie entstehen Siegertypen auf der Tour? Ein Hoch auf das College-Golf!

Vor einigen Tagen entbrannte bei uns in der Redaktion eine hitzige Diskussion. Wann kommt endlich mal wieder ein Tour Sieger aus Deutschland, lautete die Grundfrage. Dazu muss man sagen, wir haben doch ziemlich viele Deutsche auf den internationalen Touren. Außerdem gibt’s ja auch einige erfolgreiche Österreicher. Und wenn wir von Profis sprechen, dann lohnt sich ganz besonders auch der Blick auf die Damen-Touren: Sophia Popov hatte 2020 die British Open gewonnen und Esther Henseleit schon mehrfach auf der Ladies European Tour. Bei den Jungs haben wir als Sieger natürlich immer noch regelmäßig Bernhard Langer und Alex Cejka bei der PGA Tour Champions. Stephan Jäger hat in den letzten Jahren mehrmals bei der US Korn Ferry Tour gewonnen, Alex Knappe gerade bei der europäischen Challenge-Tour. Was uns allerdings aktuell fehlt, ist ein Sieger auf der DP World Tour oder der PGA Tour.

ABER WORAN LIEGT DAS?

Sind die Jungs nicht nervenstark genug, ist das deutsche Förderprogramm vielleicht zu verhätschelnd im Gegensatz zu den Skandinaviern oder Engländern? Warum sind eigentlich die Amis so stark?  Oder auch die Spanier? Spielen die Deutschen zu sehr auf Ergebnis halten  und Sicherheit anstatt auf Angriff? Die Diskussion brachte viele Meinungen, viele Ansätze und dann endlich tatsächlich etwas Handfestes. Es war unser neues Teammitglied Benedict, der uns allen eine ziemlich logische Erklärung lieferte. Ausgangspunkt dafür: der kürzliche Sieg auf der PGA Tour von Österreicher Sepp Straka.

Benedict Staben: „… ein Sepp Straka, den nie jemand auf dem Schirm hatte, gewinnt ein extrem gutes und hochrangiges Turnier auf einem extrem schwierigen Platz (Honda Classic in Palm Beach, 1,44 Mio $). Und Warum? Ganz einfach: weil ihn das College Golf darauf vorbereitet hat. Oder ein Colin Morikawa, der einer der besten Amateure im College Golf war. Von da aus ist der Schritt ins Profilager dann sehr viel leichter als der Schritt aus irgendeiner Nationalmannschaft.“

Und genau das hatte Benedict eben nicht gemacht. Vier Jahre College Golf waren ihm zu lang. Er wollte nicht mehr warten und Profi werden. Ein Schritt, den er mittlerweile bereut, weil er auch direkte Vergleiche hat:

„… als ich noch Amateur war, waren Thomas Pieters und Thomas Detry aus Belgien immer bei den Turnieren dabei und sie haben, wenn sie Glück hatten, den Cut geschafft. Dann sind sie auch aufs College gegangen und waren, als sie wiedergekommen sind, andere Menschen. Das waren Maschinen geworden, kein Vergleich zu vorher. Was die dort gelernt haben, wie die ihr Spiel verbessert haben, sich auch körperlich weiterentwickelt haben, das waren Welten. Und da haben wir in der Nationalmannschaft und den europäischen Turnieren nicht so mithalten können.“

Jetzt fragt man sich, was macht denn das College Golf besser als das Spielen und Trainieren in der Nationalmannschaft?

„… es sind definitiv die Plätze, die dort gespielt werden. Die sind anspruchsvoller und du musst dein Spiel auf ein höheres Niveau heben. Dann ist es so, dass du immer deinen Ablauf hast. Teilweise fangen die schon vor der Uni morgens um 5.30?Uhr mit einem Workout an. Dann hast du deine Uni und ab 14?Uhr geht’s auf die Range. Es ist alles für dich organisiert. Du kannst immer Bälle schlagen, die Grüns sind nicht gelocht, die Range ist nicht gesperrt, du hast ein Cart und kannst mit fünf Bällen auf dem Platz trainieren. Die Grüns sind immer top und Du hast alle Möglichkeiten an dir zu arbeiten.“

Allerdings sind ja äußere Bedingungen nur das eine, es herrscht auch ein ständiger Druck, überhaupt im Team spielen zu können.

„… Du musst jeden Montag durch ein Monday Qualifier, um dich einfach schon innerhalb des Teams durchzusetzen. Und da sind natürlich die Besten aus Europa und die Besten aus Amerika. Das bedeutet, um überhaupt im Turnier spielen zu können, musst du im Training diese Drucksituation erst mal meistern.“

Dazu kommt dann noch, dass diese Turniere vom Golfchannel übertragen werden. Es gibt also gleich noch einen gewissen medialen Druck dazu, wenn alle dein Spiel im Fernsehen verfolgen können. Fazit: Eine bessere Vorbereitung kann es kaum geben, und wer sich im College Golf durchgesetzt hat, der schafft es meistens auch auf den Profitouren. 

„… die besten Beispiele sind im Moment Matti Schmid, Hurley Long oder Yannik Paul. Das sind drei Jungs, die haben sich jetzt auf der DP World Tour festgespielt. Du siehst, das sind fertige Spieler.“

Und sie sind dicht dran an den oberen Platzierungen, konstante Runden unter Par und ziemlich sicher wird einer von ihnen demnächst ganz oben stehen. Noch ein Beispiel gefällig?

„Stephan Jäger ist damals auch aufs College gegangen, war nie in der Nationalmannschaft, weil man ihn für nicht gut genug gehalten hat, und man sieht, der ist jetzt auf der PGA Tour etabliert.“

Na klar gibt es andere deutsche Tour Spieler, die nie auf dem College waren. Martin Kaymer zum Beispiel, Max Kieffer oder Nicolai von Dellingshausen. Aber die Liste der Sieger, die vorher College Golf gespielt haben, wird immer länger. Zwar haben wir hier nicht die gleichen Bedingungen wie in den USA, und natürlich kann auch rein aus finanziellen Gründen nicht jeder aufs College gehen. Aber möglicherweise kann man Elemente daraus in das Nationalmannschaftstraining übertragen. Wir brauchen mehr Spielerinnen und Spieler als Sieger, um im Golf den Boris Becker Tennis-Effekt auszulösen.

BENEDICT STABEN - GOLF-PRO und GOLF'n'STYLE EXPERTE

Der 31-jährige gebürtige Hamburger ist ehemaliges Mitglied der deutschen Nationalmannschaft und seit zehn Jahren Tour Pro.  In seiner Karriere konnte er drei Mal auf der Pro Golf Tour gewinnen und spielte bereits sieben Events der European Tour. Mittlerweile hat er eine eingeschränkte Karte für die Challenge Tour, auf der er in dieser Saison einige Events spielen wird.  Nachdem er jedoch sein sich selbst gesetztes Ziel, bis zum 30. Lebensjahr mit dem Golfspielen Geld zu verdienen, nicht erreicht hat, hat Benedict im vergangenen Jahr nebenbei eine Ausbildung zum Teaching Pro in St. Dionys begonnen.

Seit neuestem ist Bene zudem Mitglied unseres GOLF’n’STYLE-Teams und Teil unseres Podcasts Grün?&?saftig, worüber wir uns sehr freuen. Mit seiner jahrelangen Erfahrung und seinen tollen Einschätzungen aus der Sicht des Playing Pros, liefert er Euch ab sofort noch mehr Expertise und gibt Euch wertvolle Trainingstipps. Auch aus menschlicher Sicht ist Bene die perfekte Verstärkung für GOLF‘n‘STYLE. Daher auf diesem Wege nochmal: Herzlich willkommen! 

Wenn Ihr mehr über die Karriere und das Leben unseres neuen Experten erfahren wollt, hört euch unseren Podcast Grün?&?saftig an!

Benedict Satben

Fotos: Jan Oliver Pemöller (2)  – IMAGO/ Grant Winter, Aaron Gilbert, Manfred Binder, Joe Robbins, Benedict Rods